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Alexandre Cabanel – Die Tradition der Biestigkeit (Ausstellungsbesprechung)

Cabanel, der Name klingt nach Parfüm und wird auch so beworben. Immerhin hat der Maler dahinter den Modezaren Christian Lacroix angelockt, der nun wiederum Besucher ins Kölner Wallraf-Richartz- Museum locken soll. Lacroix hat man dort nicht nur die Möglichkeit eingeräumt, sein künstlerisches Idol in Kachtelteppich und saucige Fototapete einzukleiden sondern auch noch zum Leidwesen der Besucher die Gelegenheit gegeben, seine eigenen Entwürfe in einem blutunterlegten kleinen Horrorkabinett vor archäologischen Baurelikten zu präsentieren.

Mitte der 1860er Jahre ist Alexandre Cabanel durch einen Porträtauftrag des politischen Hasadeurs Louis Napoleon, in dem er das Hintertriebene und Geckenhafte seines Auftraggebers meisterhaft zum Ausdruck brachte, zum gefragten Gesellschaftsmaler aufgestiegen. Die psychologisch differenziert erfassten Porträtdarstellungen der internationalen Finanzaristokratie der Zeit gehören denn auch zu den wenigen wirklich sehenswerten Arbeiten der Ausstellung. Als Historienmaler gibt er dagegen im Vergleich mit den militanten Laszivitäten seines Kollegen Gérome oder dem ausladenden Pompierismus eines Boulanger oder Alma-Tadema eine eher mittelprächtige Vorstellung ab. Und wenn die augenfällige Beschilderung stolz auf die protofilmischen Qualitäten seiner ägyptischen Szenerien verweist, dann wünscht man ihnen glatt eine Konfrontation mit den konkurrierenden Grafiken und Ölschinken von Gustave Doré an den Hals, damit evident werden möge, auf welch brillanter filmischen Klaviatur die Historienmalerei der Zeit tatsächlich zu spielen in der Lage war und wie meilenweit ein Cabanel davon entfernt war.

A.Cabanel: Cleopatra testet Gift an todgeweihten Häftlingen, 1887

Charles Léandre, aus: Les Monstres de la Société, 1902

Vincent van Gogh, der ein glühender Verehrer der Kunst von Doré war wird auch als künstlerischer Gutachter für die Cabanel-Show in den Zeugenstand gerufen. Er habe diesen “letzten großen Feinmaler” sehr geschätzt, verlautet es in Köln, und ihm eine “gute Beobachtungsgabe” attestiert. Man wäre angesichts der gebotenen Malereien geneigt, an der Urteilskraft des ansonsten doch immer recht treffsicheren Kritikers Van Gogh zu zweifeln, wäre es denn die ganze Wahrheit, die man dem Publikum in Wallraf- Richartz – Museum hier auftischt. Dass der lernbegierige Autodidakt, der zu nahezu allen namhaften akademischen Malern der Zeit bewundernd aufgeschaut hatte, gegenüber Cabanel eine besonders kritische Haltung eingenommen hatte, verschweigt man geflissentlich. Das “Cabanalesque” war ihm ein Synonym für eine zwar korrekte, aber sehr uninspirierte Art der Bildermache. Über eine Vorführung von purer Handwerklichkeit hinaus, so Van Gogh in einem Brief an seinen Malerfreund Rappart, habe Cabanel “wenig gesagt was bleibt – oder zum Fortschritt beiträgt.”

Obgleich die Salonmalerei in den letzten beiden Jahrzehnten allerlei erfolgreiche Rehabilitierungsversuche erfahren hat, ist das Vorhaben von Wallraf- Richartz- Direktor Andreas Blühm, verstärkt die kunsthistorische Verliererseite des 19. Jhd. ins Blickfeld zu nehmen, durchaus begrüssenswert. Die Risse, die in der französischen Gesellschaft nach den wiederholten Massakern des etablierten Bürgertums an der Arbeiterschaft klafften, ließen sich genau nicht mit diesem spätfeudalen Wahnsinn der Historienmalerei übertünchen, den Cabanel vorführt, sehr wohl aber mit dem retinalen Augenkleister und den bourgeoisen Idyllen des gegnerischen Impressionismus. Diese kunsthistorische Siegerchaussee, über die besinnungslos die Ströme des Kunsttourismus in Richtung der schönsten Museen der Welt taumeln, war über die noch frischen Szenarien der Pariser Junischlacht und der blutigen Maiwoche planiert worden. Im schlecht verhüllten Sadismus der Cabanel´schen Inszenierungen, dem blutunterlaufenen Stieren seiner Protagonisten und dem Grundzug der Biestigkeit, der die dargestellten Handlungen bestimmt, lassen sich leicht die Reflexe dieser gesellschaftlichen Verwerfungen ausmachen. Allerdings gibt es in dem mediokren Werk dann doch wenig zu entdecken, was über ein rein lokales Interesse seiner Geburtsstadt Montpellier, die die Ausstellung ursprünglich ausgerichtet hat, hinausgeht. Die doppelbödige, anarchische Seite von Cabanel´s Kunst, die es wert gewesen wäre, stärker akzentuiert zu werden, lässt sich mit der Parfümkarte jedenfalls nicht ausspielen.

A.Cabanel: Gefallener Engel, 1847

Adolphe Willette, Der Affe, 1902

Charles Léandre, Gefallene Engel, 1915

Ein vorwärtsgerichtete Ausstellung, die sich nicht mit der Larmoyanz einer kunsthistorischen Verliererseite zufrieden gibt, hätte den rein monografischen Anspruch hinter sich lassen und sich vor allem dem herausragendsten Aspekt von Cabanel´s künstlerischer Laufbahn widmen müssen, nämlich seiner Funktion als einer der vielseitigsten und erfolgreichsten akademischen Ausbildern. Und hier wäre es angebracht gewesen, nicht nur Beispiele von Richtung weisenden Schülern im Malerei- und Bildhauerbereich wie Aristide Maillol, Jules Bastien-Lepage oder Rodolfo Amoedo zu präsentieren, sondern vor allem von solchen, die auch oder vor allem im Bereich der Illustrations- und Pressegrafik erfolgreich waren, und das waren etliche, denn Cabanel hatte in seiner Lehre auf ein umfassendes und ausgiebiges zeichnerisches Training Wert gelegt.

Sein Schüler Lionel Royer schuf für die Zeitschrift Le Petit Journal bemerkenswerte Hybride aus historischem Genre und Sensationsberichterstattung, die zusammen mit den Arbeiten des überragenden Illustrators Henri Meyer auf Künstler wie Max Ernst eingewirkt haben. Francois Flameng, der für L Illustration und Le Monde Illustreé zeichnete, zählte mit seinen atmosphärisch dichten Landschaftsdarstellungen und Architekturansichten zu den besten Pressegrafikern und Kriegsberichterstattern der Zeit. Seine spannendsten Schüler aber taten sich im karikaturesken Feld hervor. Es gibt keine besseren Reflektoren von Cabanel´s Biestigkeit und der Prätention des Pompierismus als die grotesken Zyklen seiner Schüler Adolphe Willette und Charles Léandre, die für die anarchistischen Satiremagazine Le Rire und L Assiette au Beurre arbeiteten. Erst hier, in der Inkohärenz der Montmarte-Szene konnte die Ambivalenz der Salonmalerei eine verjüngte katalysatorische Kraft entfalten. Leider verharrt Köln in seinem Musealisierungsversuch in einer irrelevanten Nabelschau des Feinen und Schönen. Hier wird nur gängiges Gift an Todgeweihten getestet. (A.R.)

Wallraf-Richartz-Museum Köln, bis 15.5.

A.Cabanel: Der Tod der Francesca di Rimini und des Paolo Malatesta, 1870

Lionel Royer, Le Petite Journal, 1895

Lionel Royer, Le Petit Journal, 1895

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