[May 8, 2008
“Wie sind uns jetzt sicher.” Werner Spies zu Bernard Buffet
Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt zeigt eine Retrospektive des lange verdrängten und vergessenen Malerstars der fünfziger und sechziger Jahre.
In der Ausstellung “Tauchfahrten. Zeichnung als Reportage”, die 2004/2005 im Kunstverein Hannover und der Kunsthalle Düsseldorf stattfand, war Bernard Buffet mit zwei Industriereportagen der sechziger Jahre vertreten, mit einem Porträt der Burda-Werke in Offenburg, sowie einer graphischen Dokumentation des Siemens-Konzerns. Konfrontiert waren seine Arbeiten mit einem späten Radierzyklus von Alberto Giacometti:”Paris sans fin”.
“Frankfurt eröffnet die Chance, sich dem Phänomen Bernard Buffet neu zu nähern – ohne die Mauligkeiten und verordneten Scheuklappen, ohne die Berührungsängste mit dem Werk eines Vielmalers und die scheinheilige Orthodoxie. Die Tür ist wieder aufgestoßen für eine Wertung aus dem Geist der Geschichte, die sich von allfälligen Diktaten befreien kann. Ob man den Mann – wieder – im Zusammenhang nennen darf mit Picasso, mit dessen frühen Artisten in Blau und Rosa, und vielleicht noch darüber hinaus? Besteht er neben Giacometti? Reicht seine Kraft womöglich bis in unsere Zeitgenossenschaft?” (Rose-Maria Gropp, FAZ, 18.4.2008)
Die Ausstellung in Frankfurt ist noch bis zum 3.8.2008 zu sehen. Ein Katalogbuch, das die Ausstellung dokumentiert und den Fall Buffet aufarbeitet, ist in Vorbereitung.
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Wir sind uns jetzt sicher
Dass ausgerechnet seine Hauspostille, die FAZ, in ihrer Besprechung vom 18.4. die Bernard Buffet-Ausstellung im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt über den grünen Klee gelobt hatte und eine komplette Neubewertung seiner Kunst in Aussicht gestellt hat (MePri News, 27.4.), das muss Werner Spies, dem ewigen Erbverwalter und Grossinquisitor der klassischen Moderne förmlich den Magen verdreht haben. Eine dreistere Attacke auf seine aristotelische Weltordnung war wohl ihm noch nie untergekommen. Hatte die Rezensentin Rose-Marie Gropp mit einer Aufhebung der Exkommunikation des gebannten Malers nicht auch eine Neujustierung des Spies´schen Götterhimmels in den Horizont des Möglichen gerückt – Buffet gleichrangig mit Picasso “und vielleicht noch darüber hinaus”? Hier musste also ein deutliches Machtwort gesprochen werden.
Spies´ Empörung hat der FAZ- Leserschaft nun in der Sonntagsausgabe vom 4.5. eine weitere, weitaus umfänglichere und besser bebilderte Besprechung der Ausstellung beschert. Schlichtweg “irreversibel”, so Spies, sei das einmal gesprochene Verdikt zum Fall Buffet, diesem “größten Ärgernis der jüngeren Kunstgeschichte”, das in einer “existenzphilosophischen Irrigation (Darmspülung)” bestehe. In der Strategie, die Kunst des 1999 verstorbenen Malers, den er “eine Leiche” nennt, durch ein entsprechendes Vokabular in den Bereich des Unappetitlichen und Widerwärtigen zu rücken, steht Spies´Beitrag ganz in der Nachfolge des Leitartikels des “Spiegel” vom 11.7.1956 , der mit einem sprachlichen Gestus, der erschreckend nah an der “Stürmer”- Presse gebaut war, die Hetzjagd auf Buffet im deutschsprachigen zu Mitte der fünfziger Jahre in Gang gesetzt hatte.
Spies` eisige Konservierung uralter Feme basiert argumentativ einzig auf der Behauptung, dass sich Buffets Kunst epigonal zu einer Stilphase Picassos zur Zeit der Pariser Okkupation verhalte. Was allerdings an den im Artikel abgebildeten Arbeiten von Buffet picassoesk zu nennen wäre, das bleibt ein Rätsel. Möglicherweise ist er der Ansicht, dass im Grunde die komplette Tradition der ligne claire der bande dessinée einen einzigen Ausfluss aus dem Demiurgen Picasso vorstellt. Wer weiß? – Und noch was: bar jeder Ironie sei diese Kunst. Da gebe es keinen doppelten Boden. Buffet meint was er malt. Auch das ist schlimm.
Dass die Hybris von Spies, die sich im Windschatten seines spanischen Über-Ichs entwickelt hat, mittlerweile zu einem pluralis maiestatis angeschwollen ist, das mag das eigentliche, bedrückende Fazit seines Beitrags sein, der zu folgendem Schluss kommt: “In gewissem Sinne begegnen wir bei unserer heutigen, sicheren Ablehnung letztlich der Scham über frühere, vorschnelle Enthusiasmen”. Punkt.
Alexander Roob
Werner Spies: “Der Kampf um Buffet. In Frankfurt wird eine Leiche wiederbelebt.”, FAZ, 4.5.2008